Essay – internationaler Tag des alkoholgeschädigten Kindes

Der internationale Tag des alkoholgeschädigten Kindes erinnert uns an die vielen Kinder, die mit den schwerwiegenden Folgen des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft leben müssen. Dieser Tag dient nicht nur dazu, das Bewusstsein für die Schädigungen zu schärfen, sondern auch die Mythen zu entkräften, die rund um den Alkoholkonsum in der Schwangerschaft bestehen. Die deutsche Kultur, die tief in einer Tradition des Alkoholkonsums verwurzelt ist, steht dabei oft im Spannungsfeld zwischen Genuss und Verantwortung.

Mythen über Alkohol in der Schwangerschaft

Einer der hartnäckigsten Mythen ist, dass ein „Gläschen in Ehren“ der Gesundheit des ungeborenen Kindes nicht schaden würde. Diese Annahme beruht jedoch auf einem gefährlichen Missverständnis. Fakt ist: es gibt keine sichere Menge an Alkohol, die während der Schwangerschaft konsumiert werden kann, ohne das Risiko für das Kind zu erhöhen. Bereits geringe Mengen Alkohol können die Entwicklung des Fötus negativ beeinflussen und zu lebenslangen Beeinträchtigungen führen. Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) umfassen eine Reihe von physischen, mentalen und verhaltensbezogenen Problemen, die durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft verursacht werden.

Die deutsche Kultur und der Alkoholkonsum

In Deutschland hat Alkohol eine tief verwurzelte kulturelle Bedeutung. Feste wie das Oktoberfest oder das Weinfest sind fester Bestandteil der Gesellschaft und prägen die Einstellung vieler Menschen zum Konsum von Bier, Wein und Spirituosen. Auch im Alltag ist der Konsum von Alkohol gesellschaftlich akzeptiert und wird oft nicht hinterfragt. Diese Normalisierung des Alkoholkonsums kann dazu führen, dass die Gefahren, die von Alkohol ausgehen, insbesondere während der Schwangerschaft, unterschätzt werden. Die allgemeine Verharmlosung und die mangelnde Aufklärung tragen dazu bei, dass viele Schwangere sich der Risiken nicht bewusst sind.

To-dos und Forderungen

Es gibt dringenden Handlungsbedarf, um das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen und werdende Eltern besser zu informieren. Folgende Maßnahmen sind notwendig:

  1. Aufklärungskampagnen verstärken: Es sollten verstärkte Bemühungen unternommen werden, die Bevölkerung über die Gefahren des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft, aber auch grundsätzlich aufzuklären. Dies sollte durch Aufklärungskampagnen in den Medien, in Praxen, Beratungsstellen und in Geburtsvorbereitungskursen geschehen.
  2. Einbeziehung von Fachpersonal: Hebammen, Gynäkolog*innen, Kinderärzt*inne, Fachkräfte der Frühen Hilfen, etc. sollten regelmäßig geschult werden, um werdende Eltern über die Risiken des Alkoholkonsums umfassend zu informieren und zu beraten.
  3. Gesellschaftliche Normen hinterfragen: Es ist unabdingbar, gesellschaftliche Normen und Einstellungen zum Alkoholkonsum zu hinterfragen und zu verändern. Dabei sollten alternative Formen der Feierkultur ohne Alkohol gefördert werden, sowie verharmlosende Regelungen wie beispielsweise das „begleitete Trinken“ ab 14 abgeschafft werden.
  4. Unterstützung und Beratung anbieten: Schwangere, die Schwierigkeiten haben, auf Alkohol zu verzichten, sollten Zugang zu Beratungsangeboten und Unterstützungsprogrammen haben, die dabei unterstützen, den Lebensstil zu reflektieren. All das muss stigmafrei passieren.

Der internationale Tag des alkoholgeschädigten Kindes erinnert uns daran, dass jedes Kind das Recht auf einen gesunden Start ins Leben hat. Es liegt in unserer Verantwortung als Gesellschaft, Mythen zu entlarven, die Kultur des Alkoholkonsums kritisch zu hinterfragen und umfassende Maßnahmen zu ergreifen. Nur durch gemeinsame Anstrengungen, politische Entscheidungen, konstruktives stigmafreies Hinterfragen und diskutieren, können wir einen neuen Weg einschlagen, der fördert, dass weniger Menschen während der Schwangerschaft trinken und somit weniger Kinder mit alkoholbedingten Schädigungen ihr Leben starten.  

Verfasserin: Felia Ricke